Nach bewährter „Vorleser“-Manier nimmt uns Bernhard Schlink in diesem Buch wieder an die Hand und führt uns durch die Geschichte von Olga und Herbert. Die Vorkriegszeit, Ostpreußen, Standesunterschiede – all das ist bekannt und vielbeschrieben. Doch hier entsteht Atmosphäre, eine Leichtigkeit und Zielstrebigkeit in der Erzählung. Und wie schnell die Geschichte voranschreitet! Schon nach 110 Seiten ist die Geschichte erzählt, wir sind in der Jetztzeit angekommen und ich frage mich, was nun noch kommen mag?

Der zweite Teil wechselt die Erzählperspektive. Nun erfahren wir wie Olga in eine Familie kommt, sich dort als Näherin verdingt und vertraut wird mit dem Sohn, der in ihr eine Konstante im trubeligen Alltag findet. Er erzählt von ihr aus Kindersicht. Die Beziehung intensiviert sich, als er während der Pubertät schwierige Jahre im Elternhaus hat und sie ihm mit ihrer liebevollen Festigkeit Halt und Orientierung bietet. So besteht diese besondere Freundschaft über viele Jahre bis zu ihrem Tod und er tritt ihr Erbe an. Im Rahmen dessen wird er mit Aspekten ihres Lebens konfrontiert, von denen er nichts ahnte.

Und schließlich besteht der dritte Teil nur noch aus Briefen, die Olga geschrieben hat. Und tatsächlich sind es diese Briefe, die alle Bruchstücke, die wir bisher erfahren haben, zu einem Bild zusammenfügen, das wirklich beeindruckend ist. So wunderbar nah kam mir diese Olga, so vertraut war mir ihr Denken und Fühlen, dass ich mit dem Schließen der Buchdeckel das Gefühl hatte, eine Freundin zu verlieren.

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